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Sterbebegleitung

Autor Iris Kreppenhofer (GEA)

Barbara Haas macht eine Arbeit, die sich viele Menschen nicht einmal vorstellen können, geschweige denn zutrauen: Die 75-Jährige begleitet Sterbende in den Tod – und dies auch noch ehrenamtlich. Seit Eröffnung des Hospiz‘ Veronika in Eningen zum Jahreswechsel 2001/2002 hilft sie dort Betroffenen auf ihrem letzten Weg und ist Ansprechpartnerin für Angehörige.

Ehrenamtliche Arbeit im Hospiz Veronika in Eningen

Betritt der Besucher das Hospiz im Obergeschoss des Seniorenzentrums St. Elisabeth, überraschen ihn die wohnlichfrische Atmosphäre und der angenehm freundliche Umgangston des Personals. Patienten heißen hier "Gäste", entsprechend bemüht ist das Team, den Sterbenden ihre letzten Wünsche zu erfüllen. "Hier ist so ein großer Arbeitsaufwand, dass die Fachkräfte Unterstützung brauchen", sagt Barbara Haas. So stehen den 13 Pflegekräften auf achteinhalb Personalstellen fünf Springer und 20 Ehrenamtliche zur Seite, erläutert Hospizleiter Ulrich Hufnagel, und somit je ein Ehrenamtlicher für die morgendliche und die nachmittägliche Schicht. "Die Ehrenamtlichen kommen alle aus dem ambulanten Hospizdienst", weiß Barbara Haas, "viele haben in Privathaushalten und im Krankenhaus Sterbende begleitet".

Die 75-Jährige übernimmt gerne die Frühschicht. Die agile Seniorin hilft beim Zubereiten des Frühstücks im gemütlichen Gemeinschaftsraum, beim Grießbrei-Kochen und Geben der Speisen an die, die selbst nicht mehr essen können. Bis zu acht Gäste werden betreut. Während Barbara Haas aufräumt, ist sie oft im Gespräch. "Manchmal kommen auch lebendige Gesprächsrunden zustande", freut sie sich. Zu dieser Stunde muss viel pflegerische Arbeit gemacht werden. "Ich sitze hier selten länger an einem Bett", sagt die Betreuerin. "Im stationären Hospiz zu arbeiten ist eine ganz andere Situation als im ambulanten Dienst", weiß die erfahrene Ehrenamtliche. Früher, bei Hausbesuchen oder im Krankenhaus, saß sie oft lange an einem Bett, um Ansprechpartnerin zu sein und die Angehörigen zu entlasten.

Vor 20 Jahren fing Barbara Haas ehrenamtlich im ambulanten Hospizdienst an. "Meine vier Kinder waren aus dem Haus, ich hörte von dieser Arbeit und dachte, das will ich." Die Pflege ihrer Schwiegereltern hatte sie miterlebt und als Kind den Tod des eigenen Bruders. "Ich machte schon immer ehrenamtliche Dinge." So arbeitete sie auch im Reutlinger Kaffeehäusle mit behinderten Menschen. Und: "Früher war es das normale Leben, dass alte Menschen sterben", sagt die 75-Jährige.

"Wenn jemand stirbt, ist das ein sehr emotionaler Moment", erzählt die feinfühlige alte Dame. Dabei seien ihre persönlichen Grenzen je nach Fall verschieden gelagert. "Wenn es der Jahrgang meiner Kinder ist, da knackt es bei mir auch." In Vorbereitungskursen lernte sie, mit ihren Gefühlen umzugehen. Zudem hilft ihr die regelmäßige Supervision des Ambulanten Hospizdienstes mit einer erfahrenen Psychologin. "Da kann man dann über alles reden" – seien es Probleme mit Gästen oder mit Angehörigen.

Jemanden zum Reden haben

Doch meist helfe es den Gästen und den Angehörigen, dass sie jemanden zum Reden im Hospiz haben. "Sie erzählen mir viel Gutes, weil, es gibt viel Gutes." Barbara Haas erinnert sich an eine Mutter, die lange im Zimmer ihrer 25-jährigen Tochter gelebt hat und immer wieder das Gespräch mit Fachpersonal und Ehrenamtlichen suchte. Oder an den alten Mann, der aushielt, bis ihm sein vier Stunden alter Enkel ans Bett gebracht wurde, und dann verstarb. Andere Gäste möchten nicht reden, dann werde das akzeptiert. Oder sie können nicht reden. Wenn dann ein Gesangbuch auf dem Nachttisch liegt, singt Barbara Haas auch mal was vor. Der Glaube hilft ihr bei ihrer Arbeit.

Sie geht auch mit einem Gast im Rollstuhl spazieren oder macht für ihn kleine Besorgungen, sei es, um ein Rätselheft oder die geliebte Creme zu kaufen. Einmal hatte ein Gast den Wunsch, nochmal sein Heimatdorf zu sehen. Das Hospiz ermöglichte ihm die Fahrt auf einen nahen Berg mit Ausblick. Ein anderer wollte den Baum sehen, den seine Kinder ihm zu Ehren gepflanzt hatten. Die Krankenfahrt wurde ermöglicht.

Kleine Dinge genießen

Barbara Haas bewundert, wie manche Menschen ihre totale Hilflosigkeit aushalten und auch noch kleine Dinge genießen können – "wie ein Eisherzle im Cola". Natürlich gebe es auch die Dauernörgler, die sich mit ihrer Situation nicht abfinden könnten. Wenn ihr das bewusst ist, könne sie damit umgehen. "Manchmal ist es auch schwer zu ertragen, wie schlecht es jemand geht", sagt Haas, "dann muss man sich innerlich abgrenzen". Schön ist es für sie, wenn jemand friedlich einschläft.

Ist ein Gast verstorben, wird sein Zimmer mit Blumen und Kerzen dekoriert und er meist gemeinsam mit den Angehörigen verabschiedet. "Es wird etwas über den Menschen erzählt, ein Text oder Gebet vorgelesen", so Haas, "je nachdem, wie es die Angehörigen wollen". Es könne auch sein, dass die Pflegenden mal in Tränen ausbrechen, "die Frage ist, was nimmt man mit heim." Sie habe bisher jede Nacht schlafen können.

"Wir machen das alle gern", sagt Barbara Haas in Übereinstimmung mit ihrer gerade hinzugekommenen ehrenamtlichen Kollegin Sybille Meiser, "da kommt viel zurück". Viele Ehrenamtliche arbeiten einmal die Woche, die 75-Jährige ist in der Regel alle zwei Wochen für eine Schicht dabei. "Wenn ich das öfter mache, wird es mir zu viel." Zumal sie bei Dienstantritt nie weiß, wer noch lebt. Brennt am Eingang eine Kerze, weiß sie, dass wieder jemand gestorben ist. Dennoch, sie hat es nie bereut, im Eninger Hospiz angefangen zu haben: "Es war von Anfang an das Richtige."

"Für die Menschen, die ins Hospiz kommen, ist der Gedanke, jetzt endgültig am letzten ‚Platz‘ in ihrem Leben angekommen zu sein, in unterschiedlicher Weise sehr bedeutsam. Die einen sind froh, endlich einen Ort zu haben, um in Frieden sterben zu können.
Andere hadern – verständlicherweise – noch sehr mit ihrem Schicksal. Im Lauf der Zeit verändert sich die Einstellung, und bei unseren Gästen und bei ihren Angehörigen breitet sich ein Friede aus, den wir nicht machen..., zu dem wir aber beitragen mit der Atmosphäre im Haus, mit allem, was wir tun. Und daran beteiligt zu sein ist sicherlich etwas, das uns gut tut. Und uns spüren lässt, wie wichtig unsere Arbeit ist. Für alle."
Barbara Haas

Bildquelle: Iris Kreppenhofer (GEA)